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Letzte Reise und zurück

Wie es sich anfühlt, tot zu sein

Erschienen am 25.01.2010
19,95 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783453167254
Sprache: Deutsch
Umfang: 272 S.
Format (T/L/B): 2.5 x 20.5 x 13.2 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Wenn es ums Sterben geht, sind wir alle Anfänger Der Tod ist allgegenwärtig, aber meistens schauen wir weg. Charlotte Janson schaut hin. Nach einer Nahtoderfahrung stellt sie sich die Frage aller Fragen: Wie fühlt es sich an, tot zu sein? Und begibt sich auf eine Reise in die Welt der letzten Dinge: Sie besucht Friedhöfe, forscht in Bestattungsinstituten und Krematorien, gibt ihre eigene Todesanzeige auf und liegt schließlich sogar in einem Sarg Probe. Ein bewegendes Buch, das den Tod zurück ins Leben holt - und ihm seinen Schrecken nimmt. Vor 15 Jahren wurde bei Charlotte Janson eine potenziell lebensbedrohliche, unheilbare Krankheit diagnostiziert. 2008, nach einem Krankheitsschub, hängt ihr Leben am seidenen Faden. Aus dieser unmittelbaren Todesnähe heraus keimt in ihr der Wunsch, alles über den Tod herauszufinden. Mit einer einzigartigen Mischung aus Fakten, Geschichten und Rückblicken auf ihre eigenen Erfahrungen zeichnet sie ein außergewöhnliches Bild vom Leben und Sterben. Nachdenklich und ernsthaft, zugleich mit einer wunderbaren Leichtigkeit blickt Charlotte Janson stellvertretend für uns alle dem Tod ins Auge und holt ihn in unsere Gesellschaft zurück, aus der wir ihn weitgehend verbannt haben. Ein faszinierendes Buch, das uns ermöglicht, dem Tod nahezukommen, ohne ihn fürchten zu müssen. Endlich ein unbefangenes Buch über den Tod - neugierig, mit genauem Blick und einer Prise schwarzem Humor.

Autorenportrait

Charlotte Janson, Jahrgang 1958, ist Journalistin und Bestsellerautorin. Sie hat viele Jahre lang unter dem Pseudonym Jil Karoly sehr erfolgreiche Frauenromane bei S. Fischer und Rowohlt veröffentlicht. Charlotte Janson lebt in Marburg.

Leseprobe

Vielleicht haben diejenigen, die sagen, ich hätte einen Knall, doch recht. Ich muss einen haben - würde ich wohl sonst an einem granatenheißen Sommertag in der Geschäftsstelle der regionalen Tageszeitung am Tresen stehen und meine eigene Todesanzeige aufgeben? Na bitte. Schweiß rinnt mir in kleinen Rinnsalen den Rücken hinunter und verwandelt meine Unterwäsche in ein Feuchtgebiet. Der Grund dafür ist nicht die Hitze, auch nicht die fehlende Klimaanlage. Ich schwitze Blut und Wasser vor Aufregung. Und bemühe mich, so zu gucken, wie man halt zu gucken hat, wenn die Schwägerin gestorben ist. Betroffen. Betrübt. Betäubt. Die Story, die ich mir ausgedacht habe, ist nämlich folgende: Die Frau meines Bruders ist von uns gegangen, und ich gebe in seinem Auftrag und in seinem Namen die Todesanzeige auf. "Tja, dann wollen wir mal", sagt die für mich zuständige Dame und ruft ein Formular im Computer auf. Mehr kommt nicht. Nicht mal andeutungsweise ein gemurmeltes "Herzliches Beileid" oder "Ach Gottchen". Stattdessen business as usual. Keine Ahnung, wie viele Todesanzeigen sie pro Tag bearbeitet. Mitleid ist Mangelware, ein knappes Gut, eine begrenzte Ressource - niemand weiß das besser als ich. Schließlich habe ich das in den letzten Monaten am eigenen Leib erfahren. Die einzige (offizielle) Schwägerin, die ich jemals hatte, ist übrigens tatsächlich schon gestorben, an Krebs. Ihre Beerdigung werde ich nie vergessen, weil es bislang die einzige Beerdigung war, bei der ich einen Brautstrauß ins Grab warf - meinen. Das hatte ich ihr versprochen. Und was ich verspreche, halte ich. "Haben Sie einen Entwurf?", fragt die Dame. Klar habe ich einen Entwurf. Schon allein deshalb, weil ich gedacht habe, meine Stimme würde versagen, wenn ich den Text der Anzeige diktieren müsse. Ich reiche der Frau den vorbereiteten DIN-A4-Wisch. Meine Hände sind kalt und nass, zittern aber nicht, was mich wundert. Denn meine Beine sind mittlerweile Pudding - Wackelpeter -, und mein Herz hämmert gegen meine Rippen wie eine Abrissbirne gegen einen maroden Altbau. Zudem ist mir speiübel, meine Zunge klebt am Gaumen, ich kriege kaum noch Luft, ich ersticke, ich werde ohnmächtig. Noch ist nicht raus, ob ich's überlebe, meine Todesanzeige aufzugeben. Kann auch sein, ich falle auf der Stelle tot um. Das ist doch alles nicht wahr! Ich glaub, ich bin im falschen Film. In einer total abgefahrenen, schwarzhumorigen britischen Komödie ä la Vier Hochzeiten und ein Todesfall. Wahrscheinlich kommt gleich Hugh Grant vorbei, sondert einen lockeren Spruch ab und befreit mich aus meiner misslichen Lage. Schön wär's, aber nichts dergleichen passiert. "Die Anzeige erscheint dann übermorgen, morgen klappt's nicht mehr", sagt die Dame, während sie den Text eingibt. "Welche Schrift nehmen wir denn?" "Schrift?", frage ich irritiert. "Futura, Helvetica, Times." Sie blickt vom Bildschirm auf und starrt mich fragend an. Ich starre fragend zurück. Dann kapiere ich: Sie meint den Schrifttyp. Unglaublich, mit was für Kinkerlitzchen man sich als Hinterbliebene herumschlagen muss. Meine Begriffsstutzigkeit scheint sie unter dem Stichwort Trauer zu verbuchen, das gibt mildernde Umstände. Hilfsbereit reicht sie mir einige vorgedruckte Beispiel-Todesanzeigen. Der Schrifttyp ist immer der Nachname, der Vorname ist immer Anna. Anna Times und Anna Helvetica und Anna Futura sind gestorben, lese ich. Anna Futura finde ich schon ziemlich krass als Beispiel, wo man doch als Tote nicht wirklich eine Zukunft hat - oder etwa doch? Vielleicht bin ich ja nicht auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Nach kurzem Zögern entscheide ich mich für den Schrifttyp Feltpen. Feltpen sieht leicht kursiv aus, ein bisschen windschief, ein bisschen schräg. Und schräg ist die ganze Sache ja schon, da soll der Schrifttyp auch dazu passen. So bin ich nun mal gestrickt: Auch wenn ich was Blödes mache, mache ich es mit Stil. "Gut, das hätten wir", sagt die Dame zufrieden. "Und jetzt noch das Hintergrundmotiv!" Leseprobe